We are here on the former premises of a company with the promising name „Terra Nova“, new earth, which was meant quite directly, because the business model was the processing of construction waste into reusable earth. Together with the company’s logo, an ascending horizon line with a yellow ball of the sun, great expectations were naturally aroused and I, too, sometimes asked myself as I cycled past what might be behind this utopian design of a beautiful, new, sunny world. Unfortunately, we will not find out more because the company has since gone bankrupt.
Andrea Freiberg takes up this requirement, just as she has often dealt with found situations in her artistic work. As a grantee from the Schöppingen artists‘ village, she managed to track down one of the last unstructured plots of land in the area, a place with an unclear purpose and a checkered past, which is precisely why it can be thought of in all directions.
Andrea Freiberg was born in Apolda in Thuringia and studied sociology, psychology and art at the University of Siegen and in Gdansk, Poland, where she received a DAAD scholarship. Her work focuses on public space, but not in the traditional sense. Unlike traditional art in public space, they will not give an artist’s statement, but instead invite the audience, the viewer, to think and help shape things. She doesn’t say this is my work of art, my opinion of this place, but asks: What do you see in this place? What situation does he mirror? What associations does it evoke, what possibilities are inherent in this place, how can it be designed, what do you think it could look like?
Your own work is basically the necessary preparatory work in order to be able to ask these questions in a meaningful way. Here in Schöppingen, the first thing to do is to track down relevant places, not that easy, since Schöppingen is rather well structured overall. What followed was initially a kind of research work – field research in the truest sense of the word. Like an archaeologist, Andrea Freiberg first unearthed the historical facts and traces, which were then made visible. Archeology is reminiscent here, for example, of working with found objects that, when sorted or rearranged, acquire a different quality and meaning. The photo books, too, with their transparent gaps, constantly produce new layers, some of which are reminiscent of archaeological and scientific work, but some of which also appear purely imaginary.
The material collages made of found wood, for example, which Andrea Freiberg created in the container, also tell of the sighting and ordering of the material.
After finding finds and relics comes finding opportunities. Important for this is a close look, an unbiased perception of the given situation, but also a playful approach, trying out different variants. Here the artist makes us all accomplices. When we walk through the village to the site, dressed in white protective suits, we are like a research group on a risky mission. Could the terrain we’re exploring be contaminated? That would actually be within the realm of possibility. Could it be a dune landscape behind which the sea suddenly opens up? Could it be the earth of another planet, or just the ideal location for the Sausage King-shooting?
However we imagine the New Earth, there is definitely a social dimension that we can only develop together. As Andrea Freiberg probably also suggests with a tongue-in-cheek irony in the title of her work: The actual situation is anything but ideal, but we still have the power of imagination and undogmatic experimentation. Perfectionism would be out of place here. The goal is not the finished work of art, but the process of working together.
Wir befinden uns hier auf dem ehemaligen Gelände einer Firma mit dem verheißungsvollen Namen „Terra Nova“, neue Erde, der ganz direkt gemeint war, denn das Geschäftsmodell war die Aufarbeitung von Bauschutt zu wieder verwendbarer Erde. Zusammen mit dem Logo der Firma, einer aufsteigenden Horizontlinie mit gelbem Sonnenball, wurden so natürlich große Erwartungen geweckt und auch ich habe mich manches Mal beim Vorbeiradeln gefragt, was wohl hinter diesem utopischen Entwurf einer schönen, neuen sonnigen Welt stecken mag. Leider werden wir nicht mehr erfahren, denn die Firma ist inzwischen in Konkurs gegangen.
Andrea Freiberg greift diese Vorgabe auf, wie sie sich auch sonst in ihrer künstlerischen Arbeit häufig mit vorgefundenen Situationen auseinandergesetzt hat. Als Stipendiatin des Künstlerdorfes Schöppingen ist es ihr gelungen, eines der letzten unstrukturierten Grundstücke des Ortes aufzuspüren, einen Platz mit unklarer Bestimmung und wechselvoller Vergangenheit, der gerade deshalb in alle Richtungen gedacht werden kann.
Andrea Freiberg wurde in Apolda in Thüringen geboren und studierte Soziologie, Psychologie und Kunst an der Universität Siegen und in Gdansk, Polen, wo sie mit einem Stipendium des DAAD gefördert wurde. Schwerpunktmäßig geht es in ihrer Arbeit um den öffentlichen Raum, aber nicht im klassischen Sinn. Sie will nicht wie die traditionelle Kunst im öffentlichen Raum eine Stellungnahme des Künstlers oder der Künstlerin abgeben, sondern sie fordert das Publikum, den Betrachter zum Mitdenken und Mitgestalten auf. Sie sagt nicht, das ist mein Kunstwerk, meine Meinung zu diesem Ort, sondern sie fragt: Was seht ihr in diesem Ort? Welche Situation spiegelt er? Welche Assoziationen weckt er, welche Möglichkeiten wohnen diesem Ort inne, wie kann man ihn gestalten, wie könnte er eurer Meinung nach aussehen?
Ihre eigene Arbeit ist im Grunde die nötige Vorarbeit, um diese Fragen sinnvoll stellen zu können. Hier in Schöppingen ging es zunächst um das Aufspüren von geeigneten Orten, nicht ganz einfach, da Schöppingen insgesamt doch eher durchstrukturiert ist. Was dann folgte, war zunächst eine Art Forschungsarbeit – Feldforschung im wahrsten Sinne des Wortes. Wie eine Archäologin förderte Andrea Freiberg zunächst die historischen Fakten und Spuren zutage, die dann sichtbar gemacht wurden. An Archäologie erinnert hier zum Beispiel die Arbeit mit Fundstücken, die sortiert oder neu arrangiert eine andere Qualität und Bedeutung erlangen. Auch die Fotobücher mit ihren transparenten Aussparungen ergeben immer wieder neue Schichten, die teilweise an archäologisch-wissenschaftliche Arbeit erinnern, teilweise aber auch rein imaginär anmuten.
Von der Sichtung und Ordnung des Materials künden beispielsweise auch die Materialcollagen aus gefundenem Holz, die Andrea Freiberg im Container erstellt hat.
Auf das Aufspüren von Fundstücken und Relikten folgt das Aufspüren von Möglichkeiten. Wichtig hierfür ist der genaue Blick, eine unvoreingenommene Wahrnehmung der vorgefundenen Situation, aber auch eine spielerische Herangehensweise, das Erproben verschiedener Varianten. Hierbei macht die Künstlerin uns alle zu Komplizen. Wenn wir mit weißen Schutzanzügen gekleidet durch den Ort auf das Gelände spazieren, gleichen wir einer Forschergruppe auf riskanter Mission. Könnte das Gelände, das wir erforschen, kontaminiert sein? Das wäre wohl tatsächlich im Bereich des Möglichen. Könnte es sich um eine Dünenlandschaft handeln, hinter der sich plötzlich das Meer auftut? Könnte es die Erde eines anderen Planeten sein, oder nur der ideale Austragungsort des Wurstkönig-Schießens?
Wie auch immer wir uns die Neue Erde vorstellen, es gibt auf jeden Fall eine soziale Dimension, die wir nur im Miteinander entwickeln können. Wie Andrea Freiberg wohl auch im Titel ihrer Arbeit ironisch-augenzwinkernd andeutet: Die tatsächliche Situation ist alles andere als ideal, aber es bleibt uns die Kraft der Vorstellung und des undogmatischen Ausprobierens. Perfektionismus wäre hier fehl am Platz. Nicht das fertige Kunstwerk ist das Ziel, sondern der Prozess des gemeinsamen Handelns.
TERRA NOVA – TOWARDS THE SUN
Schöppingen, 29th September, 2013
Dr. Sigrun Brunsiek